Die Erneuerbaren müssen (schnell) erwachsen werden: Ansätze und Ideen
Mit dem vollzogenen Atomausstieg hat für die deutsche Energiewende eine neue Phase begonnen, d.h. die Erneuerbaren müssen jetzt erwachsen werden, damit der Kohleausstieg weitgehend bis 2030 gelingen kann. Dabei spielen nicht nur ein verändertes Umfeld und die Bedeutungszunahme der damit verbundenen marktwirtschaftlichen Mechanismen eine Rolle, sondern auch die Art und Weise, in der die zahlreichen Herausforderungen gemeistert werden. Eine der größten liegt nach wie vor im Ausgleich der bisher schwankenden Energieausbeute aus Solar und Wind. Wie soll hier die Zukunft aussehen? Und mit welchen innovativen Technologie-Lösungen begegnet man schon heute dieser Herkules-Aufgabe?
Zunächst ein Blick auf die Zahlen: Die Energiewende ist wie ein Puzzle. Sie besteht aus Millionen kleiner Bausteine – und es ergibt sich erst dann ein finales Motiv, wenn ein Teil passgenau ins andere greift. Konkret: In Deutschland gibt es mehr als zwei Millionen Photovoltaikanlagen, die oft mit einem Stromspeicher gekoppelt sind, sowie mehr als 30.000 Windkraftanlagen an Land und auf dem Meer. Die Nordsee soll bis 2030 mit unzähligen Offshore-Windgiganten mit einer Leistung von jeweils 15 Megawatt zum wichtigsten Energieerzeuger Europas werden.
Bis Ende dieser Dekade werden auch in Haushalten und Betrieben mit größerem Verbrauch intelligente Stromzähler flächendeckend installiert und dynamische Stromtarife etabliert werden. Und, nicht zu vernachlässigen, auch 15 Millionen Elektroautos einerseits und sechs Millionen Wärmepumpenheizungen andererseits sollen zum neuen, dezentralen Energiesystem beitragen – die entsprechende Vernetzung und den Ausbau der Stromnetze auf allen Leitungsebenen vorausgesetzt.
Damit die erneuerbaren Energien aus den Kinderschuhen entwachsen können, braucht es also zusätzliche Technologien: Lösungen zur Digitalisierung ebenso wie Speichermöglichkeiten und Anreize, die Energie dann zu erzeugen oder zu verbrauchen, wenn es aus übergreifender Perspektive besonders sinnvoll ist.
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Anreize durch dynamische Stromtarife
Ein Beispiel: Ein Besitzer eines Einfamilienhauses mit PV-Anlage und Heimspeicher bekommt heute eine feste Einspeisevergütung. Selbst dann, wenn er den überschüssigen Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage dann ins Netz einspeist, wenn ohnehin genügend Solar- und Windstrom verfügbar und der Börsenwert entsprechend gering ist.
In Zukunft muss es gelingen, den Solarstrom vom Dach „intelligenter“ zu nutzen – also beispielsweise am Vormittag nicht zuerst den Speicher aufzuladen, sondern (nach Versorgung der häuslichen Verbraucher) ins Netz einzuspeisen. Denn zur Mittagszeit macht es viel mehr Sinn, selbsterzeugten Strom oder solchen aus dem Netz in den Speicher zu laden, um ihn etwa in der Abenddämmerung verbrauchen zu können.
Dynamische Stromtarife werden hierfür die richtigen Anreize setzen. Damit sind solche Tarife gemeint, deren Arbeitspreis sich im Stundentakt am Börsenstrompreis orientiert. Ab 2025 wird es für größere Stromversorger zur Pflicht, entsprechende Tarife anzubieten. Voraussetzung dafür sind intelligente Stromzähler, die stündlich wechselnde Tarife abbilden können.
Elektroauto als Zusatzspeicher
Bislang ist es in Deutschland rechtlich nicht zulässig, den eigenen Heimspeicher aus dem Netz aufzuladen, wenn beispielsweise an stürmischen Wintertagen sehr viel Windstrom vorhanden ist. Es dauert nicht mehr lang, bis es eine Million Heimspeicher in Deutschland gibt – ein Potenzial, das bisher im Winter ungenutzt bleibt.
Und: Während Heimspeicher im Durchschnitt eine Kapazität von sechs bis acht Kilowattstunden haben, fahren Elektroautos 40, 60 oder 90 und mehr Kilowattstunden spazieren, um die notwendige Reichweite zu erreichen. Hier wäre es aus Energie-Sicht effizient, die vorhandene Energie aus dem Elektroauto-Akku zur Spitzenzeit am Abend für den Hausverbrauch zu verwenden, um dann das Auto über Nacht mit günstigem Windstrom für die morgendliche Fahrt zur Arbeit vollzuladen.
Um all diese Komponenten des künftigen, dezentralen Energiesystems zu steuern braucht es beispielsweise auf der Ebene der Haushalte sogenannte Heim-Energiemanagementsysteme, die bei Beachtung des gewünschten Komfortgrades den Strom vom Dach clever auf die Verbraucher verteilen. Netzbetreiber wiederum benötigen mehr Transparenz über die eigenen Netze (Smart Grid) – insbesondere darüber, wie viel Energie auf Mittelspannungsebene gerade wo verfügbar ist.
Quartiere und Mehrfamilienhäuser versorgen
Daneben geht es schließlich auch darum, Quartiere, Straßenzüge und Mehrfamilienhäuser gemeinsam und schlau mit erneuerbaren Energien zu versorgen – und letztlich die Sektorenkopplung mit Wärme und Mobilität hinzubekommen. Und: In Zeiten von Windflaute im Winter braucht es Gaskraftwerke, die zuvor verstromtes oder importiertes Gas – im Idealfall grüner Wasserstoff – zur Strom- und elektrischen Wärmeversorgung nutzen.
Digitalisierung und Flexibilisierung sind also die ganz entscheidenden Aspekte, die dazu beitragen werden, dass erneuerbare Energien schnell erwachsen werden. Passt bis 2028 dann ein Puzzle-Teil ins andere, steht dem Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen und im mitteldeutschen sowie dem Lausitzer Revier wenig entgegen.
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