Wissenschaftler stehen um ein Chassis eines Elektroautos herum und begutachten die offen liegenden Batterien, die das E-Auto zu einem mobilen Stromspeicher machen.

Bidirektionales Laden: Das E-Auto als mobilen Stromspeicher nutzen

Wer eine Photovoltaikanlage mit Stromspeicher hat, kennt das Prinzip: Überschüssiger Solarstrom wird in die Batterie geladen und kann später flexibel im Haushalt genutzt werden. Bidirektionales Laden folgt dem gleichen Prinzip – nur dass statt eines stationären Stromspeichers die Batterie des E-Autos als Speicher eingesetzt wird. 

Wir erklären in diesem Beitrag, wie bidirektionales Laden funktioniert und welche Vor- und Nachteile das E-Auto als Stromspeicher bietet. 

Was ist bidirektionales Laden?

Derzeit werden die meisten Elektroautos unidirektional geladen: Strom aus dem Netz, aus der PV-Anlage oder aus dem Stromspeicher fließt in die Batterie des E-Autos. Beim bidirektionalen Laden kann der Strom in beide Richtungen fließen: sowohl aus dem Netz in die Autobatterie als auch aus der Batterie zurück ins Hausnetz oder das öffentliche Stromnetz. Damit wird die Autobatterie zum mobilen Stromspeicher – und Sie können mehr günstigen PV-Strom für die spätere Nutzung speichern. 
 

Eine Hand hält dem Umriss einer Batterie in den Himmel, während die untergehende Sonne durch das Strom-Symbol scheint und leuchtet.

Die Idee des „mobilen“ Stromspeichers auf vier Rädern

Wer eine Solaranlage auf dem Dach hat, versorgt sich nachhaltig und unabhängig mit Strom – zumindest tagsüber. Um den selbst erzeugten Strom dann zu nutzen, wen keine Sonne schein, benötigt man einen Stromspeicher.  Die Batteriespeicher werden heute meist als Komplettpaket zusammen mit der Photovoltaikanlage installiert und speichern in etwa genug PV-Strom, um den Haushalt über Nacht zu versorgen.

E-Autos haben ebenfalls leistungsstarke Batterien – ihre Speicherkapazität ist mit 40–90 kWh sogar deutlich höher als die eines stationären Batteriespeichers für ein Einfamilienhaus (5–12 kWh). Die Idee liegt also nahe: Immer dann, wenn das E-Auto zuhause geparkt ist, kann man die Batterie als zusätzlichen Stromspeicher nutzen, um selbst erzeugten Strom zu laden – und bei Bedarf auch wieder aus der Batterie zu entnehmen. Auf diese Weise könnte das E-Auto den stationären Heimspeicher ergänzen – und so helfen, die schwankende Erzeugung aus erneuerbaren Quellen besser zu nutzen.
 

Welche Voraussetzungen sind für bidirektionales Laden erforderlich?

Batterien können Strom sowohl aufnehmen als auch abgeben – damit sind sie grundsätzlich für bidirektionales Laden geeignet. Allerdings laden Batterien Gleichstrom (DC) und geben diesen auch wieder ab, während das Hausstromnetz bzw. das öffentliche Stromnetz Wechselstrom (AC) nutzen. Daher verfügen E-Autos über einen integrierten Gleichrichter, der beim Laden den AC-Strom aus dem Netz in DC-Strom umwandelt.

Möchte man den DC-Strom aus der Batterie zum Einspeisen oder zur Versorgung des Haushalts nutzen, muss er wieder in AC-Strom umgewandelt werden. Dafür existieren zwei unterschiedliche Ansätze: Bidirektionales Laden mit Wechselstrom (AC) oder Gleichstrom (DC). 

Beim Bidirektionalen AC-Laden sitzt der Wechselrichter im E-Auto selbst. Über das Ladekabel wird Wechselstrom übertragen, welcher direkt im Hausnetz genutzt werden kann. 

Ein alternativer Ansatz ist das Bidirektionale DC-Laden, bei welchem der Gleichstrom der Fahrzeugbatterie direkt an die Wallbox übertragen wird und erst dort in Wechselstrom umgewandelt wird. 
 

Welche Autos unterstützen bidirektionales Laden?  

Viele E-Auto-Hersteller werben bereits mit der Rückspeisefähigkeit ihrer Fahrzeuge. Jedoch lohnt sich eine genaue Betrachtung der Funktionalität. Gerade bei den asiatischen Herstellern gibt es schon einige E-Auto-Modelle, die bidirektionales Laden über DC unterstützen. Jedoch wird dafür der in Deutschland unübliche CHAdeMO-Standard verwendet, welcher mit europäischen Wallboxen praktisch nicht nutzbar ist.

Andere Hersteller, wie z.B. Hyundai und Kia, setzen insbesondere auf eine sog. Vehicle-to-Load-Funktion, womit einzelne Geräte per Stecker an das Auto angeschlossen werden können, jedoch eine echte Rückspeisung der Energie in das Hausnetz nicht möglich ist. Bei anderen Herstellern ist die Funktion zum Bidirektionalen Laden vorgerüstet, jedoch meist noch nicht nutzbar

 

Ein gemeinsames Energiemanagementsystem

Eine weitere wichtige Voraussetzung für das bidirektionales Laden ist, dass das E-Auto-Ladesystem, die Wallbox bzw. der Stromspeicher und das Energiemanagementsystem miteinander kommunizieren. Nur wenn die Systeme in einem Energiemanagementsystem miteinander vernetzt sind, kann der überschüssige Solarstrom effizient gesteuert werden. So entscheidet das Energiemanagementsystem je nach PV-Erzeugung, Strombedarf und Ladestand, ob der PV-Strom gespeichert oder eingespeist wird und ob im Haushalt Strom aus der PV-Anlage, aus der Batterie oder aus dem Netz genutzt wird.

 

Internationale Norm für bidirektionales Laden

Im April 2023 wurde der internationale Standard ISO 15118-20 für bidirektionales Laden veröffentlicht. Die Norm regelt die Kommunikation zwischen E-Auto und bidirektionaler Wallbox. Damit ist ein großer Schritt getan. Eine Herausforderung bleibt allerdings die Kompatibilität zwischen E-Autos, Wallboxen und Energiemanagementsystemen. Die Produkte unterschiedlicher Hersteller sind häufig noch nicht miteinander kompatibel. Daher gibt es für E-Auto-Fahrer*innen oft nur eingeschränkte Möglichkeiten, das bidirektionale Laden zuhause zu nutzen.
 

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Was sind die Vorteile von bidirektionalem Laden?

 

Flexibilität

Bidirektionales Laden ermöglicht es, selbst erzeugten Solarstrom flexibler zu nutzen. So ist es zum Beispiel mit einem zeitvariablen Stromtarif  möglich, günstigen Netzstrom in die Autobatterie zu laden und diesen in den Zeiten zu nutzen, wenn der Strompreis hoch ist.

 

Energiekosten senken 

Photovoltaikstrom ist günstiger als Netzstrom. Wer also die Möglichkeit hat, den selbst erzeugten Strom zu speichern, muss weniger Strom aus dem Netz beziehen – und spart Energiekosten.

 

Investitionskosten reduzieren 

Stationäre Stromspeicher sind (noch) relativ teuer. Wer ohnehin elektrisch fährt und das E-Auto zusätzlich als mobilen Stromspeicher nutzt, spart die Anschaffungskosten für einen Batteriespeicher. Allerdings bietet das E-Auto als Stromspeicher auch nicht alle Funktionen eines stationären Speichers, wie etwa ein Heim-Energiemanagementsystem (HEMS). Grundsätzlich gilt: Das E-Auto wird den Heimspeicher nie ersetzen. Die Fahrzeugbatterie und -elektronik altern beim bidirektionalen Laden deutlich schneller.
 

 

Mehr Speicherkapazität 

PV-Anlagenbesitzer*innen, die schon einen Stromspeicher zuhause haben, können mit dem bidirektionalen Laden zusätzlichen Solarstrom speichern, auch wenn der Batteriespeicher schon vollgeladen ist. Das ist dann möglich, wenn das Auto bei schönem Wetter angeschlossen am Haus steht und die Energie nicht zum Fahren benötigt wird.

 

Nachhaltigkeit 

Wer mehr Solarstrom für die spätere Nutzung zuhause speichert, steigert seinen PV-Eigenverbrauchsanteil – so wird die eigene Energieversorgung nicht nur günstiger, sondern auch nachhaltiger und umweltfreundlicher.

 

Netzstabilität 

Die Erträge aus erneuerbaren Energien schwanken stark, weil auch Sonne und Wind je nach Jahres- und Tageszeit unterschiedlich stark sind. Die Mengen an Solarstrom, die an sonnenreichen Tagen mittags ins Netz eingespeist werden, steigen mit der wachsenden Zahl an Photovoltaikanlagen immer weiter an. Bidirektionales Laden trägt dazu bei, dass ein größerer Teil dieses Stroms stationär gespeichert wird – das entlastet die Stromnetze und verhindert Netzstörungen.

 

Fünf menschliche Hände führen fünf Puzzlestücke zusammen, auf denen Symbole für die erneuerbaren Energien aufgedruckt sind.
Lesetipp

Eine neue Phase der Energiewende

Mehr zu den Chancen und Herausforderungen beim Ausbau erneuerbarer Energien finden Sie in unserem Beitrag Die erneuerbaren Energien müssen (schnell) erwachsen werden

Anwendungsbeispiele für bidirektionales Laden

Bidirektionales Laden kann auf unterschiedliche Weise genutzt werden. Je nach E-Auto-Hersteller kann der Strom aus der Autobatterie genutzt werden, um einzelne Geräte mit Strom zu versorgen (V2D), um den Haushalt zu versorgen (V2H) oder um ins Netz eingespeist zu werden (V2G).

 

Vehicle-to-Device (V2D)

Vehicle-to-Device (V2D) wird auch als Vehicle-to-Load (V2L) bezeichnet und gehört vor allem bei Transportern und Campingvans mittlerweile zum Standard. Im Grunde handelt es sich um eine ins Fahrzeug integrierte Haushaltssteckdose, die Wechselstrom ausgibt, um einzelne Geräte zu versorgen. V2D ist die einfachste Form des bidirektionalen Ladens und wird unabhängig vom Eigenheim und/oder einer Solaranlage genutzt.

 

Vehicle-to-Home (V2H)

Vehicle-to-Home ist als Variante für PV-Anlagenbesitzer*innen mit einer eigenen Wallbox interessant. Immer wenn das Auto nicht gefahren wird, ist es zuhause mit der Wallbox verbunden. Erzeugt die Solaranlage auf dem Dach einen Überschuss, wird die E-Auto-Batterie geladen. Reicht der Solarertrag nicht aus, um den Haushalt zu versorgen, greift das System über die Wallbox auf den Strom aus der Autobatterie zurück. Die Batterie wird jeweils nur bis zu einem vordefinierter Mindest-Ladestand entladen, damit Sie jederzeit mit Ihrem Fahrzeug fahren können. Damit V2H funktioniert, müssen alle Komponenten in einem intelligenten Heim-Energiemanagementsystem (HEMS) verknüpft sein.

 

Vehicle-to-Grid (V2G)

Systeme, die V2G unterstützen, können den Strom aus der E-Auto-Batterie nicht nur ins Hausstromnetz, sondern auch in das öffentliche Stromnetz einspeisen. Voraussetzung dafür ist ein intelligenter Stromzähler, der genau misst, wann wie viel Strom eingespeist wird. V2G ist besonders interessant für zwei Gruppen: Haushalte mit PV-Anlage und Direktvermarktung und Haushalte, die einen dynamischen Stromtarif nutzen.

  • PV-Direktvermarktung: Der PV-Überschuss wird in der Batterie gespeichert und erst dann ins Netz eingespeist, wenn der Strompreis an der Börse hoch ist – das sichert höhere Erlöse aus der Direktvermarktung. Erfahren Sie hier mehr zum Thema PV-Direktvermarktung.
     
  • Dynamischer Stromtarif: Die Batterie wird immer dann geladen, wenn der Netzstrom besonders günstig ist. Steigt der Börsenstrompreis, kann man den gespeicherten Strom nutzen und spart Netzstromkosten. Erfahren Sie hier mehr zum Thema variable Stromtarife.
     
Junger Mann mit Sonnenbrille steckt das Ladekabel in sein Elektroauto.

Gibt es auch Kritik am bidirektionalen Laden?

Dass leistungsstarke E-Auto-Batterien als flexible Stromspeicher dazu beitragen können, die Energienetze stabiler zu machen, steht außer Frage. Dennoch ist es noch ein weiter Weg, bis bidirektionales Laden flächendeckend und effizient umgesetzt werden kann. Ein Großteil der Elektroautos ist bisher technisch noch nicht für das bidirektionale Laden ausgestattet – hier müssen die Hersteller nachbessern.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Umwandlungsverluste: Bei jedem Umwandeln von Wechselstrom (aus dem Netz) in Gleichstrom (für die Batterie) und wieder zurück in Wechselstrom entstehen Verluste von bis zu 15 %. Kleinere finanzielle Vorteile durch das Speichern von günstigem Strom in der Batterie könnten sich damit derzeit wieder relativieren.

Nicht zuletzt gehen die häufigen Be- und Entladevorgänge beim bidirektionalen Laden zulasten der Batterie: Zum einen beschleunigt die Nutzung der Batterie als mobiler Stromspeicher die Alterung der Batterie sowie Fahrzeugelektronik. Zum anderen ist bisher bei vielen Herstellern die Gewährleistung ungeklärt, wenn die Batterie nicht nur zum Fahren, sondern auch zur Haushaltsstromversorgung genutzt wird. 

Wichtig zu bedenken ist auch: Das E-Auto muss natürlich auch zu Hause stehen, wenn die Sonne scheint und dann, wenn die im Auto gespeicherte Energie zu Hause verwendet werden soll. Praktisch sind aber viele E-Autos gar nicht ganztägig angeschlossen. Und neben der Traktionsenergie muss erst einmal ausreichend überschüssige Energie geladen werden, um das Haus damit nachts auch zuverlässig zu versorgen. Schließlich ist das E-Auto in erster Linie immer noch ein Fortbewegungsmittel.
 

Ausblick: bidirektionales Laden in der Zukunft

Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wird auch der Bedarf an Stromspeichern weiter steigen. Am bidirektionalen Laden als eine von mehreren Speichermöglichkeiten führt daher kein Weg vorbei, zumal auch die Anzahl der Elektroautos auf den Straßen künftig stark wachsen wird. Aktuell wird in unterschiedlichen Projekten auf der ganzen Welt geforscht, wie man bidirektionale E-Autos sinnvoll und effizient in das Energiesystem einbinden kann.

So gibt es ein Projekt der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE), das unter anderem die Erlöspotenziale, die möglichen Netzbelastungen sowie die Bedeutung intelligenter Messsysteme erforscht. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat das Projekt i-rEzEPT (Intelligente rückspeisefähige Elektrofahrzeuge zur Eigenstrommaximierung und Primärregelleistungsmarkt-Teilnahme) ins Leben gerufen. In Feldtests werden E-Autos sowohl mit Stromnetzen als auch mit Ein- und Mehrfamilienhäusern gekoppelt, um mögliche Potenziale aufzuzeigen. Insgesamt wird es sicher noch eine Weile dauern, bis bidirektionales Laden zum Standard wird. Mit Blick auf die Klimaziele bis 2045 ist es aber ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer emissionsfreien Energieversorgung. 
 

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Dario Burghof

Dario Burghof

Dario Burghof
Dario Burghof im Interview.
Autor

Produktmanager Home Charging & E-Mobility

Dario Maximilian Burghof blickt auf mehrere spannende berufliche Jahre im Bereich der Erneuerbaren Energien zurück. Nach seinem Energietechnik-Studium mit dem Schwerpunkt „Regenerative Energien“ und seinem Master in Betriebswirtschaftslehre war Dario zunächst im Projektmanagement für Wind- und Solarparks tätig. Seit 2018 widmet er sich ganz dem Thema Ladeinfrastruktur. Seit 2021 ist Dario als Produktmanager für den Bereich „Home Charging & E-Mobility“ bei der SENEC GmbH tätig.

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