Die Erdoberfläche aus dem Weltraum mit der Sonne am Horizont.

Reine Fiktion oder bald Realität? Weltraumgestützte Solarenergie

Es ist Menschheitstraum, wie einst das Fliegen: Grenzenlose Energieversorgung mit einem Kraftwerk im All. Schon seit den 1970er Jahren träumen Wissenschaftler von weltraumgestützter Solarenergie – also Photovoltaikzellen, die im Weltraum Strom erzeugen und in Form von Mikrowellen zur Erde gebracht werden. Während die Solarernte auf der Erde bei Betrachtung der Ausgangsenergie 60 Prozent Wirkungsgrad verliert, kann die Photovoltaik im Weltall ohne Pause oder störende Wettereinflüsse erzeugt werden. Soweit die Theorie. Aber wie realistisch ist der Traum vom orbitalen Superkraftwerk?

Die Energie-Frage der Menschheit lösen

Ein orbitales Solarkraftwerk könnte auf einen Schlag die energetischen Herausforderungen der Menschheit lösen: Elektrische Energie dahin bringen, wo sie im Augenblick knapp ist. Um weltraumgestützte Solarenergie zu realisieren, braucht es vor allem dreierlei: leistungsfähige und kostengünstige Solarzellen, moderne Satellitentechnologie und die Möglichkeit zur drahtlosen Energieübertragung - etwa über den Umweg der Mikrowellen. 

Solarstrom im Weltraum sammeln und drahtlos zur Erde senden, wurde erstmals 1941 von dem Science-Fiction-Autor Isaac Asimov in seiner fiktiven Kurzgeschichte “Reason” beschrieben. Einige Jahrzehnte später war es der Amerikaner Peter Glaser, der sich als Luft- und Raumfahrtingenieur wissenschaftlich mit der Idee befasste, und in der Zeitschrift Science sein Konzept “Power from the Sun: Its Future” vorstellte.  

Als sich weitere Wissenschaftler in den 1970er Jahren mit Solarkraftwerken im All beschäftigen, galten die drei genannten Technologien bereits als technisch machbar, aber als wirtschaftlich ziemlich unattraktiv. Also beschränkte man sich darauf, zunächst die irdischen Herausforderungen zu lösen - und trug zum atemberaubenden Siegeszug der Solarenergie bei. Deren Kosten sanken in nur drei Jahrzehnten um sagenhafte 95 Prozent. Heute ist die Photovoltaik die günstigste Art der Energieerzeugung – und bald die wichtigste Energiequelle dazu. 

Dabei sind die Pläne der außerirdischen Solarenergie dermaßen verlockend: Die Sonne scheint immer, zuverlässiger und stärker: 1.400 Watt pro Quadratmeter. Wolken spielen für die Solarkraftwerke im All keine Rolle; einen Tag- und Nachtzyklus gibt es nicht. Ein orbitales Kraftwerk ist eine unerschöpfliche Quelle sauberer Energie, die sogar konstant ohne Unterbrechung verfügbar sein kann. 

Raumstation mit Solar-Panelen zum Erzeugen elektrischer Energie für die Menschen.

Wiederauferstehung der Idee seit 2019 

Seit 2019 regt sich rund um das Forschungsthema wieder etwas – es gibt quasi eine Widerauferstehung der Idee der weltraumgestützten Solarenergie. Das California Institute of Technology etwa hat ein Space Solar Power Project ins Leben gerufen. Auch die Weltraumorganisationen NASA und ESA beschäftigen sich damit: “Die Idee scheint ein Wiederaufleben zu durchlaufen, und das liegt wahrscheinlich daran, dass die Technologien mittlerweile existieren, um sie zu verwirklichen”, ist sich ehemalige NASA-Wissenschaftlicher John Mankins in seinem Buch “The Case for Solar Power” sicher. 

Eine der größten Herausforderungen liegt darin, eine Reihe von Sonnenkollektoren groß genug zu machen, um das Projekt in den Orbit zu bringen. Frühe Konzeptentwürfe enthielten riesige Arrays, die kaum transportabel waren. Dabei sollte im Wesentlichen ein Solarstromsatellit von der Größe Manhattans genutzt werden. Die Kosten wären mit mehr als einer Milliarde Euro unvorstellbar gewesen – und das nur, um zur ersten Kilowattstunde zu gelangen. 

Aber: Mittlerweile sinken die Preise für die notwendigen Technologien wie etwa für Flüge ins All, dank Unternehmen wie Elon Musks SpaceX oder Blue Origin. “Der Wechsel zu modularen Systemen, um die Massenproduktion zu ermöglichen, ist meiner Meinung nach die Antwort darauf, wie man die Kosten für Solarstromsatelliten auf etwas Vernünftigeres senken kann", so Mankins gegenüber der Zeitschrift Forbes. 

Heutige Konzepte sehen also ein fertiges Array vor, das 22.000 Meilen über der Erde kreist und die Energie zurück an die Oberfläche beamt. Die Photovoltaikanlage wandelt das Sonnenlicht in Strom um, der wiederum in Mikrowellen umgewandelt wird, die drahtlos an bodengebundene Empfänger übertragen werden. Diese Empfänger könnten die Form riesiger Drahtnetze mit einem Durchmesser von bis zu 6,5 Kilometern annehmen, die über Wüsten, Ackerland oder sogar über Seen installiert werden könnten. Eine solche Solaranlage wäre, so die Forscher, in der Lage, fortlaufend 2.000 Gigawatt elektrische Energie zu erzeugen.

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Heutige Entwicklungen 

In der Tat werden die Entwicklungen rund um die Energie aus dem All konkreter. China hat die Errichtung eines ersten orbitalen Kraftwerks angekündigt. 2028 soll ein Prototyp im Weltraum erstmals Energie produzieren. Das Vorhaben ist eng mit den Plänen Pekings verbunden, bis 2060 kohlendioxidneutral zu werden.  

In einer ersten Phase soll ein Satellit entstehen, der die drahtlose Energieübertragung über eine Distanz von 400 Kilometern ermöglichen soll. Ob die elektrische Energie hierfür in Hochleistungsmikrowellen oder Laser gewandelt wird, ist noch offen. An der Basisstation wird der Strom wieder in elektrische Energie gewandelt. 

Dieses erste Kraftwerk soll immerhin eine elektrische Leistung von 10 Kilowatt haben – das entspricht also ungefähr der Leistung einer Photovoltaikanlage für das eigene Dach. Aber: In weiteren Projektphasen soll die weltraumgestützte Solarenergie tatsächlich in die Lage versetzt werden, zum Klimaneutralitäts-Ziel Chinas signifikant beizutragen.  

Auch die Europäische Weltraumorganisation ESA ist in der Spur. Bis Juli 2022 führten die Berater von Roland Berger zusammen mit der OHB System AG eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse sowie eine Wirkungsanalyse eines weltraumgestützten Solarstromprogramms durch. Das Ergebnis ist eindeutig: „Weltraumgestützte Solarenergie kann zur Dekarbonisierung der europäischen Energieversorgung beitragen, in dem sie erneuerbare Energien mit hoher Dichte an Orte liefert, an denen sie am dringendsten benötigt wird“, so Senior Partner Martin Hoyer. Die Berater empfehlen den Europäern, jetzt in die Technologie zu investieren, um in Zukunft an der Spitze zu sein.   

Bevor aus der schönen Fiktion aber Realität werden kann, sind noch zahlreiche technische Hürden zu überwinden, wie im Fachmagazin Chinese Space Science and Technology nachzulesen ist: Die Übertragung über die großen Distanzen aus dem All auf die Erde ist höchst anspruchsvoll. Unklar sind beispielsweise die Einflüsse von Sonnenwinden oder der Gravitation – wie stark werden diese Faktoren die Effizienz und Genauigkeit der kabellosen Energieübertragung beeinträchtigen? 

Gelingt es den Chinesen, diese Hürden zu überwinden, könnte die Leistung bis 2035 auf 10 Megawatt und bis 2050 auf zwei Gigawatt wachsen – damit würde dann etwa die Leistung des leistungsstärksten Atomkraftwerks erreicht.  

Während auch Großbritannien, Japan und die USA an weltraumgestützter Solarenergie arbeiten, ist eines klar: unsere irdischen Klimaziele bis 2050 müssen wir mit den Technologien erreichen, die heute bereits verfügbar sind. Aber: Solarenergie aus dem Weltraum könnte Mitte des Jahrhunderts durchaus von der Fiktion zur Realität werden.

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Martin Jendrischik
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Autor

Pressereferent

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv.

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