CO2-Anlage zur Herstellung von Alkohol, um daraus Parfüm, Alkohol und synthetische Kraftstoffe zu machen..

CO2 als Rohstoff: Wie eine magische, neue Produktwelt entsteht

Kohlendioxid oder kurz CO2 ist nicht nur ein Klimagas, das maßgeblich für die Erderwärmung verantwortlich ist. Sein natürlicher Kreislauf ist überlebenswichtig für die Menschheit. Denn CO2 ist eine der entscheidenden Komponenten etwa für das Wachstum von Pflanzen, Bäumen oder Algen.

Durch die übermäßige Verbrennung fossiler Energieträger, bei der Kohlendioxid entsteht, ist der natürliche Kreislauf aber längst aus dem Gleichgewicht geraten. Doch Unternehmer und kluge Wissenschaftler arbeiten aus ganz verschiedenen Perspektiven daran, den Kohlenstoffkreislauf wieder zu schließen: durch die Verwendung von CO2 als Rohstoff für eine magische, neue Produktwelt.

Neue Möglichkeiten: CO2 aus der Luft nutzen

Die Beispiele für den Einsatz von CO2 als Rohstoff sind heute vielfältiger denn je. In der Getränkeindustrie beispielsweise ist das Gas unverzichtbar – nicht nur für die Reinigung, sondern vor allem, weil es in Bier, Mineralwasser oder Cola als Kohlensäure für den entsprechenden Pepp sorgt.

Doch heutzutage wird das Kohlendioxid – allein zehn Millionen Tonnen in der Getränkeindustrie - noch aus industrieller Herstellung genutzt. Und das, obwohl es längst Wege gibt, bereits in der Luft befindliches CO2 zu filtern, und somit in ganz kleinem Rahmen den Kohlenstoffkreislauf kurzfristig zu schließen.

Filteranlage, um CO2 direkt aus der Luft zu filtern und nachhaltig zu nutzen.

Abbildung 1: Anlage zur Filterung von CO2 in der Schweiz (Copyright: Climeworks)

Im schweizerischen Hinwil hat das Cleantech-Unternehmen Climeworks diese Lösung demonstriert. Auf dem Dach einer Müllverwertungsanlage sorgen Ventilatoren für das Ansaugen der Außenluft in einen Behälter. In diesem befindet sich ein Filtermaterial, an dem sich das Kohlendioxid ablagert. Im Vakuum und durch Erhitzung wird es wieder freigesetzt und kann gespeichert werden.

Der in der Schweiz ansässige Teil des Coca Cola-Konzern nutzt genau solches aus der Luft gefiltertes CO2, um sein Mineralwasser Valser sprudeln zu lassen.

Klimaretter? Wodka mit CO2 als Rohstoff

Einen anderen Weg zur Nutzung von CO2 als Rohstoff geht das amerikanische Cleantech-Unternehmen, das sich passenderweise Air Company nennt. Es greift das Kohlendioxid aus biogener Verbrennung oder Fabriken zur Herstellung von Alkohol ab, um daraus unter anderem Parfüm, Alkohol und synthetische Kraftstoffe zu machen. Dafür setzt das Unternehmen ein patentiertes Verfahren ein, das an die Photosynthese in einer Pflanze erinnert. 
 

CO2-Anlage zur Herstellung von Alkohol, um daraus Parfüm, Alkohol und synthetische Kraftstoffe zu machen..

Abbildung 2: Quelle: Air Company, Produktion in den USA

Die Technologie kann beispielsweise Kohlenstoff in Ethanol, also Alkohol mit sehr hohem Reinheitsgehalt wandeln. Den hochwertigen Wodka kann man beispielsweise in New Yorker Kneipen verköstigen. Dieser ist sogar CO2-negativ: Während eine gewöhnliche Wodka-Flasche etwa sieben Kilogramm Treibhausgase erzeugt, trägt der Wodka der Air Company dazu bei, dass für jede Flasche ein zusätzliches Pfund Kohlendioxid aus der Luft geholt wird. Wodka als Klimaretter, sozusagen.

Eine Glasflasche, in der sich Wodka befindet, der mit CO2 aus der Luft hergestellt wurde.

Abbildung 3: Wodka aus Umgebungsluft. Quelle: Air Company

Clou: Wasserstoff und Kohlenmonoxid kombinieren

Der technische Clou der allermeisten Lösungen, die CO2 als Rohstoff verwenden, ist die Kombination von Wasserstoff mit Kohlendioxid. Daraus entsteht ein Synthesegas, bestehend aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff, das als Basis für synthetisches Rohöl, Kerosin, Zement, Proteine, Kunststoffe, Diamanten oder sogar Sportkleidung dient.

Entscheidend für den Klima-Impact: Der Wasserstoff muss „grün“ sein, also aus der Spaltung von Wasser per Elektrolyse unter Einsatz von Ökostrom hervorgehen. Und: Das Kohlendioxid kommt im Idealfall aus der Umgebungsluft oder aus Industrieprozessen, die nicht vermieden werden können.

Twelve und Sunfire heißen zwei weitere Startup-Unternehmen, die auf diese Weise Synthesegas gewinnen, und anschließend Düsentreibstoff, Rohöl oder Kerosin daraus machen. Letztlich entsteht so eine Art „Carbon-Tech-Industrie“, die mehrere Aspekte miteinander verbindet: Das Klimagas Kohlendioxid langfristig zu binden, und dabei zeitgleich das Herausholen von weiterem Kohlenstoff in Form fossiler Rohstoffe überflüssig macht.
 

Ein Reaktor, mit dem man aus CO2 Flugzeugtreibstoff herstellen kann.

Abbildung 4: Solche Reaktoren nutzt Twelve, um Flugzeugtreibstoff mit CO2 als Rohstoff herzustellen (Quelle: Twelve)

Doch ein Handicap bleibt momentan noch: Viele der genannten Ansätze sind heute erst im Pilotmaßstab verfügbar. Lange Zeit war der Preis im Vergleich zur fossilen Lösung wie etwa beim Kerosin für die Luftfahrt eine entscheidende Hürde.

Durch die Energiekrise ändern sich aber die Preise für Produkte, die auf fossilen Energieträgern basieren – und machen insbesondere Diesel und Kerosin teurer. In diese Lücke könnten die weit mehr als 350 Startups stoßen, die etwas Magisches schaffen: Aus Luft (Kohlendioxid), Wasser (Wasserstoff) und erneuerbarer Energie neue, klimafreundliche Produktwelt zu kreieren. 

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Martin Jendrischik

Martin Jendrischik

Martin Jendrischik
Martin Jendrischik
Autor

Pressereferent

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv.

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