Links weht die europäische Flagge und rechts steht ein qualmender Industrie-Schornstein.

Was bedeutet der Emissionshandel fürs Heizen und Mobilsein?

Den europäischen Emissionshandel (ETS 1) gibt es seit 20 Jahren. Doch bislang betrifft der Kauf von Emissionszertifikaten, geregelt in der Emissionshandelsrichtlinie, ausschließlich die Energieunternehmen und den Industriesektor. Mit dem am 25. April 2023 verabschiedeten ETS 2 ändert sich das: Die Novelle der besagten Richtlinie sieht nicht nur die Verschärfung des bisherigen Emissionshandels vor, sondern auch die Integration der Sektoren Gebäude und Verkehr in den ETS 2. Der Artikel erklärt, was das für fossiles Heizen und Mobilsein bedeutet.

Die geänderte Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EG (EHRL) gilt als zentrales Instrument des EU-Klimaschutzes (Green Deal). Die Logik liegt in der Verknappung des Angebots an Emissionszertifikaten. Dadurch steigen die Kosten für den Ausgleich von Verschmutzungen. „Der Emissionshandel gibt der Industrie den dringend notwendigen Anreiz, sich zu modernisieren“, kommentierte Michael Bloss, der klimapolitische Sprecher und Verhandlungsführer der Grünen im EU-Parlament dessen Entscheidung. „Wir haben das Prinzip durchgesetzt: Wer die Umwelt schädigt, muss dafür bezahlen. CO₂ hat jetzt seinen wahren Preis. Die Ära der Gratis-Verschmutzung ist vorbei.“

 

CO2-Reduzierung durch Bepreisung

Der bisherige Emissionshandel ETS 1 hat nach einigen Nachbesserungen mittlerweile ein Niveau zwischen 90 und 100 Euro pro Tonne CO2 erreicht – und setzt entscheidende Anreize, bei der Erzeugung von Energie oder der Herstellung industrieller Produkte weniger Emissionen auszustoßen.

Die EU legt pro Periode fest, wie viele Tonnen Kohlendioxid die in den Handel integrierten Akteure gemeinsam emittieren dürfen. Diese Gesamtmenge wird auch als Cap bezeichnet und als elektronische Zertifikate dargestellt. Pro Tonne CO2, die in der Europäischen Union legal emittiert werden darf, existiert ein eindeutiges und nummeriertes Zertifikat.

Nach der Aufteilung auf die Mitgliedsstaaten der EU werden die Zertifikate per Auktion versteigert oder kostenlos zugeteilt. Anschließen ist der grenzüberschreitende Handel der Zertifikate vorgesehen. Kaufen können die Zertifikate die erfassten Akteure oder auch Banken und Händler. So bildet sich der Börsenpreis auf Basis von Angebot und Nachfrage.

Stand heute sind am Emissionshandel in der Europäischen Union etwa 11.000 Kraftwerke und Industrieanlagen beteiligt. Daneben gibt es bereits eine Regelung für europäische Flüge, allerdings in einem separaten System. Zukünftig wird auch die Seeschifffahrt einbezogen. Ab 2027 schließlich auch Verkehr und Gebäudepunkt ebenfalls in der Diskussion ist die Abfallverbrennung in den Emissionshandel einzubeziehen, aber das kann bis ins Jahr 2030 vom jeweiligen Mitgliedsstaat aufgeschoben werden.

 

Neue Sektoren für die Bepreisung

Die Sektoren Verkehr und Gebäude, die jetzt hinzukommen, sind die beiden großen Sektoren. Dabei werden nicht die Emittenten selbst einbezogen, sondern die Lieferanten von Benzin, Diesel, Heizöl, Erdgas und anderen fossilen Brenn- und Treibstoffen zur Berichterstattung und Abgabe verpflichtet. Diese machen dann die Brenn- und Treibstoffe beim Verkauf teurer, so dass dieser Kauf fossiler Brenn- und Treibstoffe für Nutzer an Attraktivität verliert. Bis 2030 wird der Preis der Zertifikate auf 45 Euro pro Tonne gedeckelt.

Die Emissions-Zertifikate unter dem ETS 1 werden bis 2030 um 62 Prozent reduziert. Zudem wird der gesamte Emissionsdeckel zwischen 2024 und 2027 jedes Jahr um 4,3 Prozent abgesenkt. Ab dem Jahr 2028 beträgt die Absenkung dann 4,4 Prozent. Das Ergebnis: Ohne eine weitere Reform wird es ab 2040 keine neuen Zertifikate mehr auf dem Markt geben. Dazu zwei konkrete Zahlen: 2024 werden 90 Millionen Zertifikate aus dem Markt genommen und 2026 noch einmal 27 Millionen Zertifikate.

Im Energiesektor bedeutet die Novelle, dass die Bepreisung des CO2-Ausstoßes den Energiepreis bei der Kohleverstromung weiter verteuert. Der Preisunterschied drückt Kohlestrom sukzessive aus dem Markt. Somit beschleunigt die CO2-Bepreisung den Kohleausstieg. Ein wichtiger Schritt, denn Kohleverstromung ist der größte Klimakiller in der EU.

 

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Bedeutung für Verbraucher

Der Emissionshandel von Gebäuden und Verkehr hat ganz klare Auswirkungen für Verbraucher. Ein CO2-Preis von 50 Euro pro Tonne erhöht beispielsweise den Preis für Benzin um etwa zehn Cent pro Liter und den Preis für Diesel um etwa 12 Cent pro Liter, soweit die CO2-Bepreisung komplett an die Verbraucher*innen weitergegeben wird. Es wird im Verkehrssektor somit zu tiefgreifenden Verhaltensänderungen kommen – der Boom der Elektroautos und des Deutschland-Tickets sowie von Fahrrädern und E-Bikes dokumentiert das.

Allein die jährlichen Verknappungen um mehr als fünf Prozent bei Gebäuden und Verkehr führen im Eiltempo zu einer Reduzierung des Angebots, die insgesamt in drastischer Verteuerung der Preise münden muss. Entsprechend verteuern sich auch Erdgas und Heizöl – die Preisentwicklungen müssen bei der Überlegung, heute noch eine neue Gas- oder Öl-Heizung einzubauen, berücksichtigt werden. 

Auf die EU27-Einkommensziele bezogen rechnet man damit, dass ein CO2-Preis von 50 Euro pro Tonne als Belastung etwa 0,5 Prozent des Einkommens für die ärmsten zehn Prozent der Haushalte bedeuten wird und für die reichsten zehn Prozent etwa 0,35 Prozent (Quelle: Verfassungsblog).

Um bedürftige Haushalte zu unterstützen und um Investitionen zu fördern, die die Emissionen senken, wird der sogenannte Klimasozialfonds eingeführt. Dieser wird, ein Jahr bevor der ETS 2 in Kraft tritt, Bürger*innen Gelder dafür zur Verfügung stellen. Über den Zeitraum von 2026 bis 2032 werden so 86,7 Milliarden Euro für soziale Klimamaßnahmen bereitgestellt, die von der Gebäuderenovierung von Sozialbauten bis hin zur direkten Einkommensunterstützung reichen. Sollten die Energiepreise für Öl und Gas zu diesem Zeitpunkt außerordentlich hoch sein, wird der ETS 2 nicht im Jahr 2027, sondern erst ein Jahr später eingeführt.

 

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Sascha Beverungen

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Martin Jendrischik
Martin Jendrischik
Autor

Pressereferent

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv.

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